Eine "villa rustica" bei Obereichstätt?

Über dem Weg zeichnen sich im Acker die Umrisse von Gebäuden ab,
die mit großer Wahrscheinlichkeit römischen Ursprungs sind.

Foto: R. Hager

 Eine Sage lieferte den ersten Hinweis
Von Rudolf Hager

Aus Obereichstätt kennt man eine alte Sage, die von "Schatzsuchern beim Ölgraben" handelt.

Im Sagenbuch von Emmi Böck „Sagen und Legenden aus Eichstätt" ist zu lesen:

Vor ungefähr 150 Jahren von heute an gerechnet - haben vier Burschen aus Obereichstätt im Ölgraben, nicht weit entfernt vom Bahnwärterhäuschen an der Straße Wasserzell - Konstein nach einem Schatz gegraben. Schon hatten sie die schwere Truhe, auf der ein feuriger Pudel mit dem Schlüssel im Maul hockte, zur Hälfte aus der Erde gehoben, als einer der Burschen seufzte: „Ich kann nicht mehr!" Da versank unter furchtbarem Getöse die Truhe wieder im Boden, und die Burschen wurden von einer unsichtbaren Gewalt nach allen vier Himmelsrichtungen geschleudert. Einer wurde dabei durch die Luft getragen und ist auf dem großen Schlackenhaufen beim ehemaligen Hüttenwerk Obereichstätt gelandet, eine gute halbe Stunde vom Ölgraben entfernt.

Erkundigt man sich nach der Flur "Ölgraben", so wird, wie in der obigen Sage erwähnt, ein Gebiet am südlichen Talhang zwischen Wasserzell und Obereichstätt genannt. Was der Name bedeutet bzw. woher er stammt, kann heute allerdings niemand mehr erklären. Bei einer genauen Betrachtung und Begehung des dortigen Gebietes waren allerdings keinerlei Auffälligkeiten zu erkennen, wieso gerade hier nach Schätzen gesucht worden sein soll.

Erst als dem Verfasser in Wasserzell berichtet wurde, dass auf der Südseite des Altmühltales in Richtung Obereichstätt einmal ein Hof gestanden sei, der aber "versunken" ist, begann die ganze Angelegenheit für ihn wieder interessanter zu werden: Ein sog. versunkener Hof ist Grund genug, diesen Bereich aus der Luft genauer zu beobachten.

Es dauerte dann allerdings Jahre, bis aus der Vogelperspektive tatsächlich der Grundriss eines Gebäudes zu erkennen war: ein sauberes Viereck zeichnete sich im Bewuchs des Getreides ab und daneben deuteten zusätzliche, leider völlig verwaschene Spuren, auf weitere ehemalige Bauten hin - und: sie alle liegen genau im Bereich der Flur "Ölgraben"!

Es standen hier also tatsächlich einmal die gemauerten Gebäude einer Hofanlage!

Altes Gemäuer wiederum deutet eigentlich auf römischen Ursprung hin. Wie es aussieht, waren hier die Gebäude jedoch nicht, wie dies sonst bei römischen Landgütern üblich ist, im Rechteck angeordnet, sondern, durch die landschaftliche Struktur vorgegeben, nebeneinander. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass auch oberhalb noch weitere Gebäude standen, deren Reste beim Bau der Bahnstrecke Ingolstadt-Treuchtlingen zerstört wurden.

Nun muss man wissen, dass im Mittelalter und eine ganze Zeit darüber hinaus auch bei uns die Häuser und Höfe vor allein in Fachwerk oder in Holzbauweise errichtet worden sind. Steinbauten waren eigentlich nur für Kirchen üblich. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg setzte sich immer mehr der reine Steinbau durch,

Anders war dies zur Zeit der Römer, als bei uns nicht nur die Kastelle, sondern auch sämtliche landwirtschaftliche Anwesen von Anfang an in Stein gebaut worden sind. Bevorzugte Lagen waren zudem Südhänge in der Nähe von Wasserstellen.

Um aber den römischen Ursprung der Anlage sicher nachweisen und belegen zu können, wären zumindest Funde von römischen Gegenständen oder gar Gold- und Silbermünzen nötig. Die aber dürften es gewesen sein, nach denen die damaligen „Schatzgräber“ in den sicher noch nach Jahrhunderten vorhandenen bzw. erkennbaren Ruinen wohl gesucht haben.

Damit schließt sich der Kreis, und es gibt Sinn, warum die damaligen Schatzgräber am Ölgraben tätig waren. Zudem konnte auch die Überlieferung von dem "versunkenen Hof“ belegt werden. Die geheimnisvolle Geschichte mit dein Pudel und dem Flug durch die Luft soll dabei nicht länger beleuchtet werden.

Was zum Schluss noch zu erwähnen wäre, ist der Hinweis, dass offensichtlich doch in jeder Sage ein wahrer Kern steckt!

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Quelle: Historische Blätter 2/2004 vom 15.01.2004
Herausgegeben vom DONAUKURIER
Redaktionell bearbeitet von Konrad Held, Eichstätt

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