18.11.1980 Nicht den "Frevel des Jahrhunderts" begehen Im Eichstätter Kurier vom 14. November wurde ausführlich über die Sanierungsmaßnahmen an der Wehrmauer in Dollnstein berichtet. Gleichzeitig musste man jedoch dem Bericht mit Schrecken entnehmen, dass die ehemaligen Wirtschaftsgebäude der Burg in solch schlechtem Zustand sind, dass sie nicht mehr saniert werden können und ihr Abbruch unausweichlich scheint. Das Landesamt für Denkmalpflege sieht sich "unter diesen Umständen genötigt, den Abbruch hinzunehmen." Es klingt unglaublich. Die letzten Überreste der Dollnsteiner Burg sollen beseitigt werden! Nach der Säkularisation haben Dollnsteiner Bürger die Hauptgebäude der Burg auf dem Felsen abgerissen und mit den Steinen ihre Scheunen erbaut. Seit 150 Jahren beklagen alle Veröffentlichungen über Dollnstein diese Barbarei mit Recht. Die Gäste, die ich jedes Jahr in großer Anzahl durch den Ort führe, reagieren auf den Bericht von dieser Untat unserer Vorfahren mit Unglauben und Unverständnis. Gerade in den letzten Jahrzehnten ist auch uns selbst wieder klar geworden, was wir mit der Beseitigung der Burg verloren haben - an kulturellem, aber vielleicht auch an materiellem Wert, wenn man etwa an die Anziehungskraft eines solchen Objekts für den Fremdenverkehr denkt. Landauf, landab werden heute überall größte Anstrengungen unternommen, historische Bauwerke zu erhalten und zu sanieren. Die sieben Dollnsteiner aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben dem Ortsbild eine irreparable Wunde zugefügt. Aber vielleicht kann man mit einigem Wohlwollen ihr Handeln noch Entschuldigen. Sie hatten nicht unser heutiges Verständnis für Kulturwerte, und sie lebten in einer Zeit nicht geringer wirtschaftlicher Armut. Was jedoch jetzt geschehen soll, wird nicht zu entschuldigen sein. Heute leben wir in einer Zeit nie da gewesener wirtschaftlicher Blüte. Der Aufschwung nach dem Krieg erlaubte es, unsere Gemeinden zu sanieren und eine Infrastruktur zu schaffen, die wohl einmalig ist selbst in Europa. Millionen hat jede Gemeinde dafür investiert. Werden unsere Nachkommen in 50, 100 oder 200 Jahren für uns Verständnis haben, wenn wir zwar "unser Haus bestellt", die wenigen Reste der Vergangenheit jedoch gründlich beseitigt haben? Man braucht sicher kein Prophet zu sein, wenn man voraussagt, dass so manche unserer heutigen baulichen Leistungen dann vergessen sein wird. Das Datum des Abbruchs der letzten Überreste der Burg wird jedoch in die Geschichte Dollnsteins eingehen; und mit Sicherheit wird man über uns noch wesentlich härter urteilen als über die "Barbaren" des 19. Jahrhunderts. Die "Stallungen und Kornböden" der Dollnsteiner Burg müssen unter allen Umständen gerettet werden! Ich appelliere deshalb an Bürgermeister und Gemeinderäte, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um einen Abbruch zu verhindern. Ich appelliere an das Kreisbauamt, einem Abbruch unter keinen Umständen zuzustimmen. Ich appelliere an das Landesamt für Denkmalpflege, seinen Standpunkt, "den Abbruch hinzunehmen", nochmal zu überdenken Es gibt genügend Beispiele, wo das Landesamt bei historischen Objekten von geringerer Bedeutung als im vorliegenden Fall einen wesentlich härteren Standpunkt vertreten hat. Es ist völlig klar, dass die Erhaltung der Gebäude eine ungewöhnliche Belastung bedeuten wird für alle Beteiligten. Eine Sanierung ist sicher nicht von heute auf morgen zu verwirklichen. Aber es müsste möglich sein, die Gebäude wenigstens vor dem Einsturz zu bewahren. Mittel- oder längerfristig könnte dann eine Sanierung in die Wege geleitet werden mit dem Ziel der Verwendung der Gebäude für einen entsprechenden Zweck, z, B. für ein Heimatmuseum. Das alles aber wird nur möglich sein, wenn die Gemeinde die Gebäude erwerben oder wenigstens sehr langfristig pachten kann. Ich appelliere deshalb ganz besonders an die zahlreichen Eigentümer und Teileigentümer, im Interesse der Allgemeinheit ihren Anteil zu akzeptablen Bedingungen an die Gemeinde zu veräußern oder bereit zu sein, ihren Sanierungsbeitrag zu leisten. Ich appelliere an Landkreis und Land, der Gemeinde unter die Arme zu greifen, damit der auf sie entfallende Beitrag zu den Sanierungskosten nicht den Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten sprengt. Ich appelliere an die Politiker, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass Mittel für die Renovierung zur Verfügung gestellt werden. Ich bitte alle Bürger des Markts und alle, denen die Erhaltung historischer Baudenkmäler am Herzen liegt, in Gesprächen mit allen Verantwortlichen darauf hinzuwirken, dass Dollnstein nicht den Frevel des Jahrhunderts begeht. Allzu viele Spuren einer großen Dollnsteiner Vergangenheit sind für immer verschwunden, so neben der Burg und dem Torturm an der Altmühlbrücke zahlreiche charakteristische Jurahäuser und - erst vor wenigen Jahren - das "Schornhaus" aus dem 16. Jahrhundert. Sogar die Grundmauern der Burg an der Westseite des Burgfelsens werden wegen Absturzgefahr auf die umliegenden Häuser mehr und mehr beseitigt. Es ist hoch an der Zeit, zu retten, was noch zu retten ist.
BERNHARD EDER Dollnstein
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