Angebliche
Vorburg ist Hauptburg
Neue
archäologische Erkenntnisse
Dollnstein (baj)
„Vorburg“ sagen die Einheimischen gerne wenn sie die Toranlage, die
Ringmauer und die alten Stallungen in Dollnstein meinen. Bei diesem
Begriff schüttelt Dr. Mathias Hensch, Archäologe und einer der
besten Burgenkenner im süddeutschen Raum, den Kop. "Was wir hier
haben, ist nicht die Vorburg, sondern die Hauptburg", stellt der
Wissenschaftler fest.
Diese Erkenntnis
ist nicht die einzige Überraschung, die Hensch, der die laufenden
archäologischen Untersuchungen leitet, heraus gefunden hat. Denn die
Burg ist in Teilen wesentlich älter als bisher angenommen. An bisher
zwei Stellen hat der Archäologe den Boden im Außenbereich öffnen
lassen. Darüber hinaus haben er und seine Mitarbeiterin, die Vor-
und Frühgeschichtlerin Ines Buckel, die gesamte Anlage zumindest
oberflächlich in Augenschein genommen. Dabei stellten die
Wissenschaftler fest, dass es sich um eine ausgesprochen
qualitätvolle Anlage handelt, mit großem Seltenheitswert.
Denn die Burg ist bemerkenswert gut erhalten. Das bestätigt auch Dr.
Jochen Haberstroh vom Amt für Denkmalpflege in Ingolstadt. Eine
"Vorburg", wie eine Ansammlung von Wirtschaftsgebäuden bezeichnet
wird, muss es natürlich auch gegeben haben. Deren Standort vermuten
Haberstroh und Hensch im Bereich des heutigen Marktplatzes.
Außerdem gehen die Archäologen davon aus, dass der Burgberg
erst relativ spät befestigt wurde. Der Bau von Burgen auf schmalen
Felsgraden setzt erst im 13. Jahrhundert ein, aber die vorhandene
Anlage ist wesentlich älter.
Wie erste Grabungen an der Südmauer ans Licht gebracht haben, stand
hier einst ein repräsentatives Gebäude. Hensch spricht ‑ vorläufig
als Arbeitshypothese ‑ von einem Pallas. Unterstützt wird diese
Theorie durch die Lage an dem Altmühlübergang. Die alte Römerstraße
zog sich östlich des Pallas entlang, überquerte in unmittelbarer
Nähe den Fluss und führte am Maierhof vorbei, der 1007 zum Kloster
Bergen kam. Den Bau des repräsentativen Gebäudes verlegt der
Archäologe in die Zeit vor dem 12. Jahrhundert ‑ auch dies zunächst
eine Arbeitshypothese. Doch wären Teile des Mauerwerks damit um ein
gutes Stück älter als bisher bekannt.
Der Wissenschaftler nimmt an, dass die frühe Anlage um einiges
größer war als die heute sichtbare. Damals dürfte die Burg aus einer
Anzahl von Gebäuden bestanden haben, die miteinander nicht
verbunden, aber vielleicht durch eine hölzerne Mauer geschützt
waren. Der Pallas wurde später, wohl in der ersten Hälfte des 12.
Jahrhunderts, teilweise abgebrochen und seine Außenmauer Bestandteil
der neuen Ringmauer, wie sie heute noch steht. „Jedenfalls geschieht
im 12. Jahrhundert etwas, das die gesamte bisherige Struktur der
Burg verändert", wie sich Hensch vorsichtig ausdrückt.
Durch die
bisherigen Grabungen, bei denen Mitglieder der Burgfreunde den
Archäologen zur Hand gehen, kamen bereits eine ganze Reihe von
Funden zum Vorschein: eine Nadel aus der Römerzeit, Scherben eines
Gefäßes aus dem 7. Jahrhundert, Keramiken aus der späten
Merowingerzeit. Was bisher noch fehlt, sind Nachweise aus der
spätantiken und der Völkerwanderungszeit, sprich aus dem 4. und 5.
Jahrhundert. Die werden aber schon noch ans Tageslicht kommen, sind
sich die Fachleute einig, denn der Ort muss auch zu jener Zeit eine
wichtige Rolle gespielt haben