08.07.2006

Angebliche Vorburg ist Hauptburg
Neue archäologische Erkenntnisse

Dollnstein (baj) „Vorburg“ sagen die Einheimischen gerne wenn sie die Toranlage, die Ringmauer und die alten Stallungen in Dollnstein meinen. Bei diesem Begriff schüttelt Dr. Mathias Hensch, Archäologe und einer der besten Burgenkenner im süddeutschen Raum, den Kop. "Was wir hier haben, ist nicht die Vorburg, sondern die Hauptburg", stellt der Wissenschaftler fest.

Diese Erkenntnis ist nicht die einzige Überraschung, die Hensch, der die laufenden archäologischen Untersuchungen leitet, heraus gefunden hat. Denn die Burg ist in Teilen wesentlich älter als bisher angenommen. An bisher zwei Stellen hat der Archäologe den Boden im Außenbereich öffnen lassen. Darüber hinaus haben er und seine Mitarbeiterin, die Vor- und Frühgeschichtlerin Ines Buckel, die gesamte Anlage zumindest oberflächlich in Augenschein genommen. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass es sich um eine ausgesprochen qualitätvolle Anlage handelt, mit großem Seltenheitswert.
Denn die Burg ist bemerkenswert gut erhalten. Das bestätigt auch Dr. Jochen Haberstroh vom Amt für Denkmalpflege in Ingolstadt. Eine "Vorburg", wie eine Ansammlung von Wirtschaftsgebäuden bezeichnet wird, muss es natürlich auch gegeben haben. Deren Standort vermuten Haberstroh und Hensch im Bereich des heutigen Marktplatzes.
Außerdem gehen die Archäologen  davon aus, dass der Burgberg erst relativ spät befestigt wurde. Der Bau von Burgen auf schmalen Felsgraden setzt erst im 13. Jahrhundert ein, aber die vorhandene Anlage ist wesentlich älter.
Wie erste Grabungen an der Südmauer ans Licht gebracht haben, stand hier einst ein repräsentatives Gebäude. Hensch spricht ‑ vorläufig als Arbeitshypothese ‑ von einem Pallas. Unterstützt wird diese Theorie durch die Lage an dem Altmühlübergang. Die alte Römerstraße zog sich östlich des Pallas entlang, überquerte in unmittelbarer Nähe den Fluss und führte am Maierhof vorbei, der 1007 zum Kloster Bergen kam. Den Bau des repräsentativen Gebäudes verlegt der Archäologe in die Zeit vor dem 12. Jahrhundert ‑ auch dies zunächst eine Arbeitshypothese. Doch wären Teile des Mauerwerks damit um ein gutes Stück älter als bisher bekannt.
Der Wissenschaftler nimmt an, dass die frühe Anlage um einiges größer war als die heute sichtbare. Damals dürfte die Burg aus einer Anzahl von Gebäuden bestanden haben, die miteinander nicht verbunden, aber vielleicht durch eine hölzerne Mauer geschützt waren. Der Pallas wurde später, wohl in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, teilweise abgebrochen und seine Außenmauer Bestandteil der neuen Ringmauer, wie sie heute noch steht. „Jedenfalls geschieht im 12. Jahrhundert etwas, das die gesamte bisherige Struktur der Burg verändert", wie sich Hensch vorsichtig ausdrückt.

Durch die bisherigen Grabungen, bei denen Mitglieder der Burgfreunde den Archäologen zur Hand gehen, kamen bereits eine ganze Reihe von Funden zum Vorschein: eine Nadel aus der Römerzeit, Scherben eines Gefäßes aus dem 7. Jahrhundert, Keramiken aus der späten Merowingerzeit. Was bisher noch fehlt, sind Nachweise aus der spätantiken und der Völkerwanderungszeit, sprich aus dem 4. und 5. Jahrhundert. Die werden aber schon noch ans Tageslicht kommen, sind sich die Fachleute einig, denn der Ort muss auch zu jener Zeit eine wichtige Rolle gespielt haben