10.07.2007

Auf Augenhöhe mit der Nürnberger Burg

Von Josef Bartenschlager

Dollnstein (EK) Die massive Steinmauer, die aus dem Erdreich im Inneren der Dollnsteiner Burg herausragt, ist zwar wuchtig, scheint aber auf den ersten Blick aus den Augen eines Laien nichts Besonderes darzustellen. Für Dr. Mathias Hensch, dem Archäologen vor Ort, bedeutet sie eine Sensation.

Vor einem illustren Publikum, zu dem Landrat Xaver Bittl und Dr. C. Sebastian Sommer, Landeskonservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und Stellvertreter des Generalkonservators, zählte, schilderte der Archäologe gestern den Befund. Der beauftragte Architekt Hans-Heinrich Häffner schilderte die Konsequenzen, die sich für die Sanierung der Burg daraus ergeben, und natürlich drehte sich die Debatte um das leidige Thema Geld.
Hensch, seine Assistentin Ines Buckel und die freiwilligen Helfer des Vereins "Burgfreunde" sind auf die Reste eines Saalbaus gestoßen, der zwischen 1050 und 1150 errichtet worden sein muss. "Davon gibt es deutschlandweit nicht viele", erläuterte Hensch. Beispielsweise verfüge die Kaiserburg in Nürnberg über einen solchen Saal oder die Burg in Sulzbach. Damit wird erneut deutlich, dass die Dollnsteiner Burg keineswegs die "Klitsche" eines unbedeutenden Ministerialengeschlechts darstellte, sondern in einem Atemzug mit den bedeutendsten Burgbauten des Mittelalters genannt werden kann. Der damalige Bauherr musste nicht nur über Geld, Handwerker und Maurer in genügender Anzahl verfügen, sondern auch eine Verwendung für den Prachtbau haben. Hier konnte der Burgherr Hof halten, repräsentieren und Feste veranstalten. "Und hier wurde Politik gemacht", ist sich Hensch sicher. Immerhin müssen zumindest Teile Dollnsteins um 1007 in Königsbesitz gewesen sein. Außerdem war Dollnstein sicher der Sitz von bayerischen Hochadelsgeschlechtern.

Neue Fragen

Allerdings ergeben sich aus diesen Befunden eine Anzahl neuer Fragen. Die ursprünglich angesetzte Summe für die archäologischen Ausgrabungen (50 000 Euro) ist erschöpft. Nochmals in etwa die selbe Summe wird benötigt, um die Grabungen zum Abschluss zu bringen. Hensch: "Wir können jetzt nicht einfach nach Hause gehen." Der Architekt muss zudem umplanen. Gerade in diesem Bereich waren die Toilettenanlagen vorgesehen. "Die kann ich mir hier nicht mehr vorstellen", verdeutlichte Häffner. Doch wohin dann? Diese Frage ist zur Stunde ungeklärt.
Auch das Nutzungskonzept ist betroffen. Sollte man diesen außergewöhnlichen Fund nicht öffentlich zugänglich machen? Landeskonservator Sommer fungierte in der gestrigen Runde als Bremser. Auch er nannte den archäologischen Befund "großartig" und zollte ihm seinen Beifall. Natürlich gelte es, das Denkmal zu erhalten und weiter zu entwickeln. Aber er sprach sich gegen weitere Grabungen im großen Stil aus. Allenfalls punktuelle Untersuchungen mit ganz gezielten Fragestellungen könne er sich vorstellen. Dabei führte der Landeskonservator eine Reihe von Gründen an. Jeder Eingriff in den Boden wirke sich grundsätzlich auch zerstörerisch auf das Bodendenkmal aus, es sei fraglich, inwieweit das doch recht marode Gebäude weitere Grabungen verkrafte und – was die Begehbarkeit betreffe – solle die Gemeinde an die Folgekosten denken. Wenn man beispielsweise die Grabungssituation mittels Glasplatte dem Publikum zugänglich mache, wer putze dann das Glas von unten? Außerdem gebe es in vielen vergleichbaren Fällen Probleme mit der Feuchtigkeit. Auch warnte er vor einer "Maßlosigkeit" beim Forschen. Man solle auch den Kindern und Enkeln etwas übrig lassen.
Damit zog Sommer einige kritische Fragen auf sich. Bürgermeister Hans Harrer sprach vielen der Anwesenden wohl aus dem Herzen – wie der spontane Beifall bewies – als er sagte, wer die ersten Seiten eines guten Buches verschlungen habe, der wolle auch den Rest lesen. Sommer machte jedoch auch auf seine bescheidenen Mittel aufmerksam und zog einen aufschlussreichen Vergleich: Das Amt für Denkmalpflege habe bezogen auf die Fläche nur den 20. Teil des Budgets zur Verfügung, der in Baden-Württemberg bereit stehe. Und sein Amt könne zwar Notgrabungen, aber keine Forschungsgrabungen unterstützen.
 

 

 

 

 

Überzeugungsarbeit: Der Archäologe Mathias Hensch (rechts) und Architekt Hans-Heinrich Häffner (zweiter von rechts) erläutern die Bedeutung des Mauerstücks vor sich. Bürgermeister Hans Harrer, Landrat Xaver Bittl und Landeskonservator Sebastian Sommer hören aufmerksam zu. Bittl und Sommer sagten schließlich ihre Hilfe zu, baten die Verantwortlichen vor Ort jedoch um "Augenmaß". - Foto: baj