11.02.2008

Rätselhafter Silberschatz

München/Dollnstein (baj) Auf den ersten Blick macht das Objekt einen erstaunlich unspektakulären Eindruck. Ein alter, zerbrochener, von einer Plastikfolie umhüllter Topf, in dem ein formloser Klumpen liegt. Erde und Steinchen sind sichtbar, eine undefinierbare Masse und grünliche Scheiben, die aber unschwer als Münzen erkennbar sind. Konzentriert sitzt Stephanie Böck über ein Mikroskop gebeugt und entnimmt mit einem feinen Instrument in der sicheren Hand eine der Münzen und legt sie vorsichtig zur Seite.

Restauratorin Stephanie Gasteiger erklärt ihre Arbeit. Das Gefäß wurde mit einer Gipsmanschette, die wiederum mit Plastikfolie verpackt ist, gesichert, bevor die obere Hälfte abgenommen werden konnte, um an den Inhalt zu gelangen.

Foto: Kröplin

Die Besucher bilden einen Halbkreis und sehen mit Ehrfurcht auf den Topf. Sie kommen aus Dollnstein und wollen einen Blick auf "ihren" Schatz werfen, denn der Topf mit den Münzen, den Ende vorigen Jahres der Archäologe Mathias Hensch entdeckt hat, stammt aus der Dollnsteiner Burg. Der Hort befindet sich zur Zeit in der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalschutz in München, wo Experten versuchen, ihm seine Geheimnisse zu entreißen. Empfangen wurde die Gruppe, darunter Bürgermeister Hans Harrer und viele Mitglieder der "Burgfreunde", von Dr. Timm Weski, dem Leiter des Referats Restaurierung. Um die Münzen kümmern sich Stephanie Gasteiger und Britt Nowak-Böck, eine Spezialistin für organische Stoffe. Vieles an dem Fund scheint rätselhaft.

Dazu zählen der Humus und die Steine. Hensch meint, sie seien in voller Absicht in das Gefäß gegeben worden. Doch wozu? Dieses Füllmaterial, darunter sogar Holzkohlestückchen, ist auch dafür verantwortlich, dass die Entdecker zunächst von rund 3000 Münzen sprachen. In Wirklichkeit dürften es 700 bis 1000 der silbernen "Händleins-Pfennige" sein. Auch Beschläge, die vergoldet gewesen sein könnten, vielleicht Gewandfibeln, tauchten in der Masse auf. Eine Besonderheit bildet eine Perle aus Koralle, die eventuell zu einem Verschluss gehörte.

Bei ihrer Arbeit stießen die Restauratorinnen auf merkwürdige rote Schichten, die sich als organisches Gewebe, also als Textilien, entpuppten. Davon sind allerdings nur noch brüchige Spuren vorhanden. Dennoch ist Britt Nowak-Böck sicher, später mit Hilfe eines Rasterelektronenmikroskops etwas über die Art der Faser, die Farbe und sogar die Bindung sagen zu können. Die Arbeit gestaltet sich schwierig, weil alles miteinander verbacken ist und jedes feinste Teilchen einzeln aus dem Verbund gelöst werden muss.

Gleichzeitig werfen sich Fragen auf. Wozu dienten die Textilien? Handelte es sich um einen Beutel, in dem die Münzen gepackt waren oder waren andere wertvolle Dinge wie der bereits gefundene Beschlag in ein Tuch gewickelt. Eine ganze Reihe von Pfennigen liegt so, dass der Eindruck von Münzrollen entsteht. Zufall oder waren die Händleins-Pfennige tatsächlich mittels Pergament oder mit Hilfe von Tüchern als Rollen gepackt? Weitere Untersuchungen werden mehr Klarheit bringen.

Dr. C. Sebastian Sommer, Landeskonservator und Leiter der Abteilung Bodendenkmalpflege, spricht insgesamt von einem "bedeutenden Bodendenkmal", das hohe konservatorische Anforderungen stelle. Wie er gegenüber dem EICHSTÄTTER KURIER sagte, könne er sich vorstellen, den Fund im künftigen Altmühlzentrum in der Dollnsteiner Burg zu zeigen – falls die Fragen nach der Präsentation, eventuell unter klimatisierten Bedingungen, sowie der Sicherheit zufriedenstellend geklärt seien.

Von Josef Bartenschlager

 

 Für einen halben Pfennig gab es einen Liter Bier

München/Dollnstein (baj). Händleins-Pfennige wie sie nun in der Dollnsteiner Burg gefunden wurden, waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ein gängiges Zahlungsmittel. Ihren Namen haben sie von der offenen Handfläche, die auf einer Seite eingeprägt ist. „Das ist das Zeichen für die Münzgerechtigkeit“, erklärte Dr. Gerd Stumpf von der Staatlichen Münzsammlung auf Anfrage des EICHSTTÄTTER KURIER: Die zweite Seite zeigt übrigens ein Kreuz.

Die Münze ist auch unter dem Namen Händleins-Heller bekannt, nach der Pfennigmünze, die unter Kaiser Friedrich I. in der Reichsmünzstätte Hall, dem heutigen Schwäbisch Hall, Ende des 12. Jahrhunderts eingeführt wurde. Es handelt sich dabei um eine etwa 06 Gramm schwere Silbermünze, wobei berücksichtigt werden muss, dass damals oft in Gewicht bezahlt wurde, der Verkäufer also nicht eine bestimmte Anzahl von Münden verlangte, sondern ein Pfund Münzen oder zwei, je nachdem.

Zudem ist die Frage nach dem Gegenwert solcher Münzen schwierig. Einerseits nahm der Silbergehalt im Laufe der Jahrhunderte ab, zum anderen ist, da die verschiedenen Landesherren ihr eigenes Münzrecht hatten, Pfennig oft nicht gleich Pfennig. Allerdings setzte sich der „Reichs-Heller“ wegen seiner ursprünglich hohen ‚Qualität immer stärker durch.

Jedenfalls kostete in München um das Jahr 1300 – auf diesen Zeitraum werden auch die Dollnsteiner Münzen vorläufig datiert – ein Pfund Rindfleisch einen halben Pfennig, ein Pfund Schweinefleisch drei Pfennig, 100 Stück Eier zehn Pfennig, ein Liter Landwein zwei Pfennig, ein Liter importierter Wein zwischen vier und fünf Pfennig und ein Liter Bier einen halben Pfennig.

Mitte des 14. Jahrhunderts verdiente – wiederum in München – ein Steinmetzmeister sechs Pfennig am Tag, der Stadtschreiber sechs Pfund Pfennige pro Jahr oder der Türmer des Petersturm im Jahr 1371 genau sechs Pfennig pro Tag.

Wirtschaftliche Fragen rund um den Dollnsteiner Münzschatz findet auch Landeskonservator Dr. Sebastian Sommer spannend. Der Hortfund könnte Aufschluss über die wirtschaftliche Ausrichtung desjenigen geben, der die Münzen gesammelt hat. Dazu muss die Frage nach der Datierung beantwortet werden. Auch ist interessant, wie lange die Münzen im Umlauf waren und wo, bevor sie versteckt wurden. Viel hängt von der „Schlussmünze“ ab, dem jüngsten gefundenen Pfennig. Der gibt nicht nur Aufschluss über den Zeitpunkt, an dem der Schatz versteckt wurde, sondern auch über den Zeitraum, in dem der Eigentümer den Hort zusammengetragen hat.