09.03.2004

Greipl: Mit jedem Denkmal, das stirbt, stirbt Einmaliges und Unersetzliches

Bayerns Generalkonservator befürchtet kulturpolitischen Paradigmenwechsel

Dollnstein (be). Einen richtungsweisenden Vortrag zum Thema „Vom Wert der Denkmäler“ hat der Generalkonservator und Chef des Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Egon Johannes Greipl, bei seinem Besuch in Dollnstein gehalten (wir berichteten bereits kurz). Den Ausgangspunkt für die Überlegungen Greipls bildete ein kurzer Abriss der Geschichte der Dollnsteiner Burg., einst Adelssitz und Verwaltungsbau der Eichstätter Fürstbischöfe. 1803 wurde sie versteigert und zu einem bequemen Steinbruch, war also „Wirtschaftsgut und Einnahmequelle“. Heute dagegen seien historische Bauwerke und unverletzte Ortsbilder „Wirtschaftsgüter und Identitätsgüter“. Sie rechnen sich nicht von heute auf morgen, sind aber „Alleinstellungsmerkmale“, Standortvorteile.

Das beweisen allein schon die Prospekte, mit denen die Tourismusindustrie wirbt. Trotz herber Verluste sei in Dollnstein verglichen mit anderen Städten und Märkten noch viel alte Bausubstanz erhalten.„Identität“, welche Baudenkmaler schaffen,  bedeutet nach Greipl Worten Verortung im Sinne menschlicher Zugehörigkeit, kultureller Beheimatung und gemeinsamer Wertvorstellungen. In einer Welt, die vielerorts vom rasanten Verlust kultureller, ökonomischer, ökologischer und politischer Lebensgrundlagen geprägt sei, sei dies sehr wichtig. Den Erhalt unseres landschaftlichen, baulichen und archäologischen Erbes sei in diesem großen Zusammenhang als Beitrag zu „Vergewisserung unserer Identität“ zu sehen. „Mit jedem Denkmal, das stirbt – es waren in den letzten 3 Jahrzehnten in Bayern Hunderte, in Dollnstein Dutzende – stirbt etwas Einmaliges und Unersetzliches.“

Denkmäler seien heute Zeichen, Symbole, Anhaltspunkte. An Bauwerken und Stadtbildern machten sich Identitäten fest. Nach den Zerstörungen in den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts seien die gebauten Zeichen der Identität als erste wieder errichtet worden.

Angesichts der aktuellen  Entwicklung der Staatfinanzen und der damit verbundenen Mittelkürzungen auch in der Denkmalpflege befürchtet Greipl, dass „wir Zeugen eines kulturpolitischen Paradigmenwechseln sind. Politik und Wirtschaft schicken sich an, den Wert unseres baulichen und archäologischen Erbes neu zu beziffern.“ Dabei werde übersehen, dass „wir uns doch nicht um hübsche alte Häuser oder belanglose Scherben sorgen, sondern um stumme Zeugen unserer Geschichte und Anhaltpunke unserer Identität. Denkmäler schützen uns davor, bewusstlos überrollt zu werden. Sie haben mit Orientierung, mit Bereicherung, Erlebnis und gefährdeter Lebensqualität zu tun. Für das Selbstverständnis, Selbstbewusstsein die Selbstachtung, für die Identität von Völkern, Regionen, Staaten, Stämmen, Märkten, Familien und Kulturen sind Denkmäler lebenswichtig; heute mehr denn je“, so Greipl.

Deshalb sei die Diskussion um die Denkmalpflege eine politische Wertediskussion. „Es ist eine zentrale Aufgabe der Denkmalpflege, diese Wertediskussion zu führen, den Wert den Denkmäler zu vermitteln, den Politikern und insbesondere der nachwachsenden Generation“.

Dollnstein führe seit dem 14. Jahrhundert in seinem Wappen, einem der ältesten in Bayern, die Burg. Sie sei von Anfang an nicht das Zeichen für drückende Herrschaft von adeligen oder bischöflichen Herren gewesen, sondern das Zeichen bürgerlichen Selbstbewusstseins und bürgerlicher Freiheit.  Wenn die Gemeinde sich heute, „fünf Minuten vor zwölf“, um das kümmere, was von dieser Burg geblieben ist, stehe sie zu dieser großen Vergangenheit und leiste einen wichtigen Beitrag zur ihrer Identität.

Auch auf  die wirtschaftliche Bedeutung der Baudenkmäler ging Greipl kurz ein. Die Denkmalpflege setze nicht nur Künstler und Handwerker ins Brot und trage damit die Kenntnis historischen Materialien weiter. Es bleibe damit auch eine „Software“, ein Wissen über alte Materialien und Techniken erhalten, das sonst unwiederbringlich verloren ginge. Nicht zuletzt seien Baudenkmäler – und dies gelte gerade auch für in Dollnstein - eine witterungsunabhängige Attraktion für den Tourismus, die über das schöne Wetter und die Saison hinaus Gäste in einen Ort bringe.

 

von links: Der stellvertretenden Vorsitzende der „Burgfreunde“, Andreas Margraf, Bürgermeister Hans Harrer, Ingrid Hoffmann, Dr. Egon Jahannes Greipl, Dominik Harrer und der Vorsitzende der „Burgfreunde“, Hugo Bittlmayer